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Die Impfbereitschaft in der COVID-19-Pandemie

Ein zweiter Studien-Zwischenbericht liefert weitere Zahlen.

Eine HAnd in einem medizinischen Handschuh hält ein Impfstoffampulle vor einer medizinischen Liege

Deutschland steht vor der vierten Welle der COVID-19-Pandemie oder befindet sich bereits darin. Viele Menschen blicken besorgt auf die steigenden Inzidenzen und Intensivbettenbelegungen. Das Thema Impfungen wird nach wie vor kontrovers diskutiert.

Ein zweiter Zwischenbericht zur Studie „Die Impfbereitschaft in der COVID-19-Pandemie: Wertepräferenzen, institutionelles Vertrauen und geplantes Verhalten“ liefert fundierte sozialwissenschaftliche Zahlen. Bereits in der zweiten Aprilhälfte 2021 hatten Daniel Seddig, Dina Maskileyson, und Eldad Davidov vom Institut für Soziologie und Sozialpsychologie der Universität zu Köln (ISS) mit Unterstützung der Fritz Thyssen Stiftung eine Erhebung durchgeführt in der 5044 Bürger:innen in Deutschland online befragt wurden. Nun legen die Wissenschaftler:innen die Ergebnisse der zweiten Erhebungswelle von Ende August bis Anfang September 2021 (23.08.2021 bis 06.09.2021) vor.

3458 Befragte (72% der ersten Erhebungswelle) antworteten erneut. Die Teilnehmenden waren zwischen 18 und 74 Jahren alt und stammten aus verschiedenen sozialen und ökonomischen Verhältnissen. Es haben 54% Männer und 46% Frauen an der Studie teilgenommen.

In der zweiten Welle gaben 2825 Befragte (82 %) an bereits mindestens eine Impfung erhalten zu haben (Mitte bis Ende April waren es 19%). 621 Befragte (18%) gelten als noch nicht geimpft (12 Befragte machten keine Angaben). Von den noch nicht geimpften Befragten gaben 65 % an, dass sie sich nicht impfen lassen möchten.

Noch immer sind die Sorgen vor möglichen Nebenwirkungen der Impfung groß. In der Gruppe der Geimpften gab jedoch die überwiegende Mehrheit (40 %) an „gar keine“ bis „schwache“ (48 %) Nebenwirkungen gespürt zu haben. Nur rund 10 % hatten nach der ersten Impfung „starke“ und 6 % „sehr starke“ Beschwerden. Außerdem berichteten Befragte mit dem Impfstoff Biontech/Pfizer (65 %) im Vergleich häufiger von „gar keine(n)“ bis „schwache(n)“ Nebenwirkungen. Trotz der unterschiedlichen Einschätzungen der Nebenwirkungen und unabhängig vom Hersteller ist die durchschnittliche Zufriedenheit mit den Impfstoffen recht hoch (der Durchschnitt ist 5.84 auf einer Skala von „1 – sehr unzufrieden“ bis „7 – sehr zufrieden“).

Bei den Ungeimpften zeigte sich eine starke Korrelation der Einstellung des Umfelds und der persönlichen Impfbereitschaft. Die Hälfte der bisher nicht Geimpften (50 %) berichteten, ihr soziales Umfeld würde eine Impfung negativ bewerten. 59 % gaben an, dass ihr soziales Umfeld nicht „erwartet“, dass sie sich impfen lassen.

In der ersten Erhebungswelle war das Bedrohungsgefühl durch das Virus und die Angst vor einer Covid-19-Erkrankung in allen Altersgruppen weit verbreitet. In der zweiten Befragungswelle zeigten sich nun erhebliche Unterschiede zwischen geimpften und ungeimpften Teilnehmer:inen. Fast die Hälfte der Geimpften (48 %) fühlen sich durch das Virus bedroht und 63 % machen sich Sorgen um die Ansteckung von geliebten Menschen. Im Vergleich fühlen sich nur 29 % der Ungeimpften von dem Coronavirus bedroht und nur 33 % bereite die Ansteckung von geliebten Menschen Sorge. „Dies deutet an, dass die wahrgenommene Bedrohung durch COVID19 die Entscheidung für oder gegen eine Impfung beeinflussen kann.“, heißt es in der Studie.

Gilt die selektive Befreiung Geimpfter von Einschränkungen durch Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung gemeinhin als Anreiz, um die Impfbereitschaft zu erhöhen, zeigt die Studie auf, dass solche „Privilegien“ die Impfbereitschaft nur bei Personen erhöhen, die sich aus verschiedenen Gründen bisher nicht impfen lassen konnten, nicht jedoch bei der impfunwilligen Mehrheit der Ungeimpften. Die Möglichkeit in den Urlaub fahren zu können bildet hierbei immer noch den größten Anreiz, doch eine Impfung in Betracht zu ziehen. Diskobesuche oder kulturelle Veranstaltungen strahlen wiederum die geringste Anziehungskraft aus.

Hinsichtlich des Vertrauens in die Impfstoffe haben offenbar die Diskussionen der letzten Monate Spuren hinterlassen. Im April 2021 vertrauten noch 72 % der Ungeimpften dem Impfstoff von Biontech/Pfizer, 62 % dem Moderna Impfstoff, 32 % dem Johnson&Johnson Impfstoff und 26 % dem Impfstoff von Astrazeneca. In der aktuellen Erhebungswelle gaben nur noch 26 % der Ungeimpften an dem Biontech/Pfizer Impfstoff zu vertrauen, 19 % dem Impfstoff der Firma Moderna, 16 % Johnson&Johnson und nur noch 8 % dem Impfstoff von Astrazeneca. Die Daten zeigen, dass der Unterschied im Vertrauen der Ungeimpften zwischen der ersten und zweiten Befragung jedoch nicht auf einen intraindividuellen Rückgang des Vertrauens zurückzuführen ist, sondern dass sich die Personen, die im April 2021 schon ein größeres Vertrauen in die Hersteller hatten, zwischen April 2021 und August/September 2021 haben impfen lassen. Die Gruppe der Ungeimpften besteht demnach überwiegend aus Personen, deren Vertrauen in die Impfstoffe von Beginn an sehr gering war und auch immer noch ist.

In der Studie fragte das Team um Daniel Seddig die Teilnehmer:innen auch nach ihrem Standpunkt zur sogenannten Querdenken-Szene. Insgesamt gaben 6 % der Umgeimpften an, schon einmal eine Querdenken-Demonstration besucht zu haben, 23 % wären bereit in Zukunft an einer solchen teilzunehmen. In der Gruppe, die eine besonders geringe Impfabsicht angab, waren es 8 %, die bereits eine Demonstration der Szene besucht haben und 30 % könne sich vorstellen, in Zukunft an einer Demonstration teilnehmen. Im Gegensatz dazu gab nur 1 % der Geimpften an, schon einmal eine Querdenken-Demonstration besucht zu haben und nur 3 % gaben an bei Gelegenheit in Zukunft an einer solchen Veranstaltung teilnehmen zu wollen. Demnach sind besonders Ungeimpfte mit einer geringen Impfabsicht offen für die Querdenker-Bewegung.

Um die politische Orientierung der Teilnehmer:innen zu ermitteln, befragten die Wissenschaftler:innen sie, welche Parteien sie in der Bundestagswahl 2021 wählen werden (die rund 20 Tage nach der Befragung stattfand). Größte Unterschiede ergaben sich zwischen den Anhängern von SPD, CDU/CSU, und Bündnis90/Grüne (höherer Anteil Geimpfter) und den Anhängern von AFD, anderer Parteien und den Nichtwählern (höherer Anteil Ungeimpfte).
„Vergleicht man die Gruppen innerhalb der Ungeimpften fällt auf, dass Impfverweigerer überdurchschnittlich oft die AFD wählen würden (32 %). Die restlichen Ungeimpften würden am häufigsten die CDU/CSU (17 %) wählen“, fassen die Autor:innen der Studie zusammen.

Die Untersuchung ist bis 2022 angelegt und wird durch die Fritz Thyssen Stiftung gefördert.