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Familiäre Entscheidungen wirken bis ins späte Erwerbsleben

Best Paper Award für WiSo-Doktorandin Wiebke Schmitz und ihre ISS-Koautorin Prof. Dr. Lea Ellwardt.

Der im European Journal of Ageing erschienene Artikel „Gendered late working life trajectories, family history and welfare regimes“* ist mit dem Best Paper Award der Sektion III für Sozial- und verhaltenswissenschaftliche Gerontologie der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie (DGGG) ausgezeichnet worden. Die DGGG vergibt den Best Paper-Award für „exzellente Publikationen von Nachwuchswissenschaftler:innen“.

WiSo-Doktorandin Wiebke Schmitz, Laura Naegele, Frerich Frerichs und Lea Ellwardt (Institut für Soziologie und Sozialpsychologie (ISS)) untersuchten anhand von rund 21.500 Fällen aus dem retrospektiven Survey SHARELIFE verschiedene Typen von geschlechtsspezifischen Beschäftigungsmustern von Männern und Frauen über 65 Jahren aus 28 europäischen Ländern und wie diese Beschäftigungsmuster im späteren Erwerbsleben mit früheren familiären Ereignissen und darauf basierenden Beschäftigungsentscheidungen zusammenhängen. Die Wissenschaftler:innen testeten auch, ob der Zusammenhang zwischen früher Familiengeschichte und später Erwerbstätigkeit in unterschiedlich ausgerichteten Wohlfahrtssystemen unterschiedlich waren.

Im Ergebnis hat sich gezeigt, dass sich der Verlauf des späten Erwerbslebens je nach Geschlecht drastisch unterscheidet. So ist die späte Erwerbstätigkeit von Frauen entweder durch unbezahlte Care-Arbeit oder durch bezahlte (Voll- oder Teilzeit-) Arbeit geprägt. Das späte Erwerbsleben von Männern hingegen besteht hauptsächlich aus kontinuierlicher Vollzeitarbeit. Frühere Familienereignisse, d.h. eine höhere durchschnittliche Anzahl von Kindern im Laufe der Jahre und mehr Zeit in einer Lebenspartnerschaft im früherem Lebensverlauf, waren bei Frauen positiv mit unbezahlter Hausarbeit oder Teilzeitarbeit, aber negativ mit einer Vollzeitbeschäftigung im späteren Leben verbunden. Die gleichen familiären Ereignisse standen bei Männern jedoch in keinem oder sogar einem umgekehrten Zusammenhang mit der Erwerbstätigkeit, d. h. die Wahrscheinlichkeit einer Vollzeitbeschäftigung war bei Männern größer. Familiäre Ereignisse wirkten sich mithin bis ins späte Erwerbsleben hinein stärker bei Frauen als bei Männern aus, insbesondere in konservativen und südlichen Wohlfahrtssystemen, die entweder eine kontinuierliche Vollzeitbeschäftigung als Standard für Männer, aber nicht unbedingt für Frauen unterstützen oder durch einen Mangel an öffentlicher sozialer Infrastruktur und durch kulturelle Kontexte (z.B. traditionelle Geschlechterrollen) gekennzeichnet sind.

Die Forscherinnen kommen zu dem Schluss, dass politische Entscheidungsträger:innen lebenslauforientierte und geschlechtsorientierte Strategien zur Förderung der Erwerbstätigkeit benötigen, um die Benachteiligung von Frauen bei der Integration in das späte Berufsleben abzumildern. Die stärkere Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt ist notwendig, um den Fachkräftemangel im Zuge des demografischen Wandels abzumildern. Die Umsetzung neuer politischer Maßnahmen sollte insbesondere darauf abzielen, die sozialen Ungleichheiten in den früheren Lebensabschnitten zu verhindern, da Beschäftigungsentscheidungen, die durch die frühere Familienereignisse und damit einhergehende berufliche Entscheidungen beeinflusst werden, sich vor allem auf Seiten der Mütter im Laufe des Lebens kumulieren.

Wir gratulieren Wiebke Schmitz und ihren Ko-Autor:innen um Prof. Dr. Lea Ellwardt ganz herzlich zu dieser Auszeichnung.

* (dt.: „Geschlechtsspezifische Verläufe des späten Erwerbslebens, Familiengeschichte und Wohlfahrtssysteme“)