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Qualitätsbasierte Vergütung im Gesundheitswesen?

Neueste Studienergebnisse aus dem Feld der experimentellen Gesundheitsökonomie zeigen: Das Bestreben, Patient:innen bestmöglich zu behandeln und eine qualitätsbasierte Vergütung sind wichtige Leistungsmotivationen für Ärzt:innen. Die Höhe der Vergütung spielt dabei jedoch keine Rolle.

In der Studie „A new look at physicians’ responses to financial incentives: Quality of care, practice characteristics, and motivations“, veröffentlicht im “Journal of Health Economics”, untersuchte WiSo-Professor Daniel Wiesen, gemeinsam mit Kolleg:innen verschiedener deutscher Universitäten, die Wirkung qualitätsbasierter Anreize auf Mediziner:innen. Der Fokus lag auf der primären Gesundheitsversorgung, d. h. auf niedergelassenen allgemeinmedizinischen Praxen in Deutschland. Drei Datensätze fanden Anwendung: (1) Ein anonymisiertes verhaltensökonomisches Experiment mit kontrolliert variierten Anreizen untersuchte die Entscheidungen zur Leistungserbringung von etwa hundert Allgemeinmediziner:innen in einem stilisierten praxisähnlichen Setting. (2) Das Zi-Praxis-Panel (ZiPP) des Zentralinstituts für kassenärztliche Versorgung, eine repräsentative Wiederholungsbefragung von mehr als 6.000 niedergelassenen Vertragsärzt:innen zu betriebswirtschaftlichen Daten, lieferte anonymisierte Daten zum Jahresüberschuss der teilnehmenden Praxisinhaber:innen. (3) Eine eigens erhobene Befragung ergab weitere Einblicke in die Einstellungen und Motivationen der Ärzt:innen.

Bislang gab es kaum wissenschaftliche Evidenz, dass eine Zusatzvergütung für eine gute medizinische Behandlung auch zu besseren Gesundheitsergebnissen für Patient:innen führt – die Studie trägt zur Schließung dieser Forschungslücke bei und zeigt, dass eine, leistungsbezogene also qualitätsbasierte Vergütung im Vergleich zu einer Pauschalvergütung die Behandlungsqualität für jeden Patienten verbessert. Die Größe des Effekts erhöht sich dabei mit der Schwere der Erkrankung. Zwischen höherem Jahresüberschuss von Praxisinhaber:innen und besserer Versorgung besteht dabei kein positiver Zusammenhang – das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Die Studie hebt zudem die Bedeutung der persönlichen Einstellungen und Motivationen der Allgemeinmediziner:innen hervor: Ärzt:innen, die das beste Ergebnis für ihre Patient:innen erzielen wollen, erbringen mehr patientenorientierte Leistungen als diejenigen, die zusätzlich vom eigenem Jahresüberschuss geleitet sind.

WiSo-Professor Wiesen hält fest: „Unabhängig von der Frage, welche Höhe der qualitätsbasierten Vergütung angemessen oder gerecht ist: Die Qualität der Gesundheitsversorgung hängt in starkem Maße von der altruistischen Motivation von Ärztinnen und Ärzten gegenüber ihren Patientinnen und Patienten ab. Dies ist jedoch nur ein Verhaltenskanal. Weitere kontrollierte, experimentelle Forschung ist notwendig, um das Zusammenspiel zwischen Anreizen, individuellen Eigenschaften und ärztlichem Verhalten besser zu verstehen.“